mizu dake 1

Dauer 55 Minuten

Tänzerin 1

Musikerin 1

1999 – 2001
Tanzhaus NRW
Stadttheater Leipzig
Orangerie Köln
Tanzfestival Dresden im Projekttheater

Choreographie / Tanz
Helena Nicolao

Live Musik Donja Djember

Komposition
Fritz Sitterle, Helena Nicolao

Videoprojektion
Sandra Vasquez de la Horra

Lichtdesign Horst Mühlberger

Produktion
Helena Nicolao
Tanzhaus NRW

Finanzierung
Kunststiftung NRW

Presse 

Bistra Klunker, Dresdner neueste Nachrichten

Ein Körper klingt, spricht, spiegelt sich
Mizu Dake – Alles nur Wasser – im projekttheater

Ein Cello, eine Zinkbadewanne, eine Videoprojektion als poetischer Schlusspunkt. Mit dieser spartanischen Ausstattung präsentiert sich die Produktion „Mizu Dake“ (japanisch: „Alles nur Wasser“), die zur Zeit im Projekttheater gastiert, auf der weich ausgeleuchteten Bühne. Zwei Frauen – die Tänzerin Helena Nicolao und die Cellistin Donja Djember – beseelen die karge Umgebung durch Improvisationsmusik und durch Ausdruckstanz. Zwei Körper, zwei Instrumente. 

Das Naturelement Wasser ist hier, abgesehen von den paar „materiellen“ Litern in der Badewanne, vor allem eine Metapher des Bewegens. Panta Rei – alles fließt. Alles nur Wasser. Helena Nicolao zeichnet Momente und Übergänge eines rückwärts laufenden Menschenlebens. Die intensive Körperlichkeit mit der die Tänzerin präsent ist, ist eine überzeugende Mischung aus Elementen des Butho Tanzes, Yoga Techniken und Authentic Movement. Die Vielfalt der Mittel wird jedoch nicht in schlichten Abläufen demonstriert – sie wird mit Schlichtheit fühlbar gemacht. Den hellen Mantel über den Kopf gezogen, verwandelt sich Nicolao in eine Gestalt der Unterwelt, die langsam zur Geschmeidigkeit des Körpers zurückfindet. Die Hülle, das Leichentuch fällt, und sie setzt ihren Weg fort, mit Hohlkreuz und glanzlosem Blick, eine Alte noch, die ins Leben zurückgefunden hat. Die Verjüngung wird sichtbar durch den wilden Einsatz einzelner Körperteile: Finger und Handgelenke vollführen orgiastische Tänze, während sich der „Haupt“ Körper noch nach Ruhe sehnt. Donja Djember erzeugt mit ihrem Cello und zum Teil mit ihrer Stimme einen Klangraum, der diesem auf eine Stunde konzentrierten Rückwärtsleben Sehnsucht nach Unendlichkeit zugesteht. Die Frau kommt an den Punkt zurück, wo man die Welt neugierig betrachtet – der Mantel verhüllt sie wieder, doch die Augen sind zu sehen, lebendige, staunende Augen. Es bleibt nur der Schritt ins Wasser, das einem die Kraft zurückgibt, die Worte nimmt und zu ehrlichen, elementaren Lauten befähigt. Der krönende Abschluss dieser eindringlichen Darbietung ist ein großer Schatten an der Wand und eine bis auf die Haut nasse Frau, auf deren Körper sich durch Videoprojektion ein schwimmendes nacktes Wesen bewegt, als wäre es Bestandteil ihrer Haut. Die dichte dieser Produktion weist eine besonders gewinnende Eigenschaft vor: Sie schnürt dem Betrachter nicht die Kehle zu, ist nicht „krisenhaft“, sondern lebensbejahend. Ein sehenswerter Abend.

Daniela Weber, Leipziger Volkszeitung
Absturz in die Kälte des Wahnsinns 
Helena Nicolao und Donja Djember gastieren mit Tanz Performance im Horch und Guck
Der erste Teddy knallt in die Ecke, der zweit klatscht mit dem Kopf gegen die Wand. Schreck fährt in die Glieder. Dem dritten Schlag dann begegnen die vom sirrenden Spiel des Cellos eingelullten Sinne hellwach. Bilder vom vergitterten Seelenknast steigen auf, in dem all jene vom Leben Verrückten vor denen versteckt werden, die sich für unverrückbar halten. Im „Kuckucksnest“ wurden sie mit Elektroschocks auf Linie gebracht. Davor gab es kalte Güsse zur Ernüchterung. Immer zur Hand die Zwangsjacke. Die Assoziationen haben einen Namen: „Mizu Dake“ – „Alles nur Wasser“. Eine Performance aus Tanz und Cello und Zinkwanne, die heute zum zweiten und letzten mal über die Bühne geht. So wie das nasse Element im Zuber gefangen bleibt, so befangen steckt Helena Nicolao in ihrer Rolle.

Mit purer, drückender Absicht. Zu entrinnen vermag sie der Einsamkeit des missbrauchten Kindes nur mit dem Winden in die Leere der Prostitution. Beklemmend ausdrucksstark krümmt sich die Tänzerin in den aufsteigenden Wahsinn. Sie leidet, sie ringt, sie presst, sie zwängt – das Gleichgewicht des Aufbäumens findet sie nicht. Die befreienden Flügelschläge versacken im Trenchcoat über dem kurzen Leibchen. Absturz ins kalte Becken. Immer zur Hand das Cello. Donja Djember entrückt in die Welt der Versunkenheit, überschwemmt die Kammer des Irrsinns mit wärmenden Klängen, weitet den Raum ins tiefe Blau. Das ist der Lichtblick im Seelenknast.