La Loca

Dauer 60 Minuten

Performer 3

2005
Tanzhaus NRW Düsseldorf, Tanzfestival Dresden Projekttheater

Choreographie
Helena Nicolao

Tanz/ Performance:  Ulrike Langer, Simone Obenhack, Helena Nicolao

Porzellankostüme/ Objekte
Claudia Zeppenfeld  

Soundtrack
Ulrike Langer

Produktion
Helena Nicolao und Tanzhaus NRW

Finanzierung
Kunststiftung NRW,  Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf, Fonds Darstellende Künste

Presse

Thomas Haag    NRZ Neue Ruhr Zeitung  2005    
Die Gesänge des Wahnsinns
Helena Nicolao und ihre Gäste ernten im Tanzhaus viel Beifall für die Uraufführung von „La Loca“.

Die Performance beginnt bereits, als die Gäste noch auf den Einlass warten. Helena Nicolao, Simone Obenhack und die Musikerin Ulrike Langer wandern in einer seltsamen Prozession über den Flur, intonieren archaische Gesangslaute. Sie haben sich auf eine gefährliche Reise begeben, loten sie doch in den folgenden 60 Minuten auf der am Samstag abend restlos ausverkauften kleinen Bühne des Tanzhauses die Grenzen zwischen religiöser Ekstase und krankhaftem Wahn aus. In nahezu identischen Kostümen, indisch – folkloristisch inspiriert und mit identischen europäischen rot – braunen Perücken wirken die drei Künstlerinnen wie die Teile einer gespaltenen Persönlichkeit.

Geheimnisvoll und zeitlos
In den Tanzszenen vermischen sich die historischen Grenzerfahrungen eines Inders und einer Französin des 19. Jahrhunderts. Wo der eine als Heiliger verehrt wurde, wanderte die andere in eine Nervenheilanstalt. Dabei gelingt es Nicolao und ihren Gästen eine Szenenfolge zu entwickeln , die auf geheimnisvolle Weise zeitlos wirkt.
Das die Beschreibung der Verzückungszustände stets auch eine sexuelle Komponente birgt, wird durch fliessende Streichel- Einheiten betont, eine Slapstickszene, bei der Stühle, ein Tisch und eine Schublade eine Rolle spielen, ist Rückführung in die Kindheit und symbolisches Aufladen zugleich. Nur wenn durch heftiges aufstampfen und Grimassieren Klischees vom Wahn persifliert werden , überschreiten die Akteure die Grenzlinie zum Peinlichen.
In einer der schönsten Szenen erzeugen die von der Decke hängenden Klangmobiles klirrende – feine Töne, Nicolao steht dazwischen, ohne Perücke, die schwarzen Haare bedecken ihr Gesicht, das stärkste Bild für die Einsamkeit der Verzückung, die Isolation des Wahns. Starker Beifall für drei sehr präsente Künstlerinnen.

Gesa Pölert   RP  Rheinische Post  2005
In Wahn und Erleuchtung
Helena Nicolaos jüngste Choreographie „La Loca“ (Die Verrückte) hatte Uraufführung auf der kleinen Bühne des tanzhauses NRW. Zwei Menschen erleben darin religiöse Ekstasen.

Zwei Frauenkörper stehen hintereinander, ineinandergedrückt. Der vordere Körper wird vom nahezu unsichtbaren Körper dahinter berührt und gesteuert. Ganz leise und sanft. Hände legen sich auf Brustbein, Bauch und Geschlecht. Mit fast rituellen Gesten dirigiert eine Frau die andere, provoziert Wellenbewegungen des Körpers.
In Helena Nicolaos jüngster Choreographie „La Loca“ ( Die Verrückte) uraufgeführt auf der kleinen Bühne des Tanzhauses NRW, geht es um Zustände der Verzückung zwischen Wahnsinn und Erleuchtung.
Die Düsseldorfer Choreographin die sich 1998 auch zur Yogalehrerin ausbilden ließ, greift dabei inhaltlich auf ein Buch zurück: “ Der Heilige und die Verrückte“ von Sudhir Kakar und Caterine Clement. Der Psychoanalytiker und die Philosophin vergleichen das Leben des „Ramakrishna“ in Kalkutta und das Schicksal der Französin “ Madeleine“. Beide erlebten im 19. Jahrhundert ähnliche religiöse Ektasen. Ramakrishna wurde dafür als Heiliger verehrt, Madeleine endete in einer Pariser Nervenklinik.

Helena Nicolao – gemeinsam mit Simone Obenhack und Musikerin Ulrike Langer – faßt das Thema in erstaunlich stille Bilder. Die drei Performerinnen tasten sich leise und langsam an ungewöhnliche Köroerzustände heran. Zwischen Klangskulpturen und Rohporzellan ( teilweise sogar in klingender Porzellankostümierung; alles von Claudia zeppenfeld ) und in geheimnisvollem Licht ( von Tobias Heide ) spüren sie eine Stunde lang dem Wesen mystischer Erfahrung nach.

Wer mit Mystik und Yogakultur nicht so viel am Hut hat, trifft hier auf ein paar allzu einschlägige Szenen. Ramakrishnas Verzückungs- Dichtungen in verstärkter Lautsprecherstimme oder den Ein- und Auszug des Trios als tanzender musizierender Pilgerzug. Schön bleibt aber: Wie sich die Performerinnen in der Stille zurechtfinden.

Klaus Schmidt   WZ  Westdeutsche Zeitung   2005    
Tanzende Körper mystisch entrückt
Premiere von Helena Nicolaos „La Loca“

Die drei Akteurinnen treten als Narrenzug auf und als Narrenzug ab. Dazwischen geben sie sich verzückt oder auch beseelt, was zu entscheiden dem Betrachter überlassen bleibt. „La Loca“ nennt Helena Nicolao ihre neue Tanztheaterproduktion, die jetzt im Tanzhaus NRW Premiere hat. Grundlage für das Stück ist ein Buch über zwei Entrückte, von denen man das Glück hat, dass seine Ekstase als religiöse Selbsterfahrung verstanden und verehrt wird, während man die Frau in die Psychiatrie sperrt.

Die beiden Fälle spielen im 19. Jahrhundert. Der Mann lebt in Indien, die Frau in Europa. Ramakrishna in Kalkutta wird schließlich selbst als heiliger gesehen. Madeleine in einer Pariser Nervenklinik behandelt. Erleuchtung und Abweichung von der Norm, zwei Kulturkreise bewerten mystische Erfahrung auf unterschiedliche Weise. Nicolao versucht mit ihren Körperbildern sich den beiden Mystikern zu nähern.

Helena Nicolao und Simone Obenhack tanzen, Ulrike Langer spielt Bratsche aber tanzt auch. Von Langer stammt auch der Soundtrack, der mit einem gekonnt verfremdeten Miles davis Stück beginnt. Eben hängt man noch dem melancholischen Trompetenton von Davis nach, da stürzen Elektronik Beats und Loops das schwebende Jazzstück aus dem Gleichgewicht und so geht es auch Simone Obenhack. Erst räkelt sie sich , dann schüttelt es sie. Man fällt aus dem üblichen heraus, das kann man angstvoll erfahren, aber auch als persönliche Erweiterung sehen. So tritt Helena Nicolao einmal hinter Simone Obenhack, und wie sie da gemeinsam die Körper pulsieren wogen lassen, wirken sie wie ein einziges Wesen, wenn auch mit vier Armen. Ein Geflecht aus Klangstäben hängt in derb linken Bühnenhälfte (Ausstattung Claudia Zeppenfeld) , es sieht aus wie ein kleiner Käfig. Darin kratzt Ulrike Langer an den einzelnen Stäben, schlägt sie später auch an- wie eine Gefangene.

Parallel dazu schütteln sich Nicolao und Obenhack über die Bühne, behangen ebenfalls mit Klangstäben, zwei Entrückte die niemand einsperrt.

Gegen Ende der Aufführung das stärkste Bild: Da erzählt eine Männerstimme vom Band über eine ganz körperlich empfundene mystische Erfahrung. Die Nicolao spricht den Text lippensynchron mit. Das schaut so aus, als spräche eine dritte Person durch sie, das hat auch wieder etwas Verrücktes. Herzlichen Applaus gibt es am Ende für die drei Akteurinnen, deren Sympathie für die „Verrücktheit“, die anderenorts als heilig verehrt wird, unübersehbar war.